Warum
scheuen viele Menschen davor zurück, Blut zu spenden?
Ein Selbstversuch
Von Thomas Goebel
Blutspenden sei „was ganz Besonderes!“, schreibt das Freiburger Uniklinikum im Internet. Scheint zu stimmen: Angeblich spenden nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Als ich das letzte Mal spenden war, bin ich zu schnell von der Liege aufgesprungen und hatte etwas Probleme mit dem Kreislauf, nichts Schlimmes, aber ich wollte doch eine kleine Pause einlegen. Das ist jetzt 14 Jahre her.
Langsam wird es also Zeit für einen neuen Versuch. Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern und schaue im Internet nach. Die Uniklinik hat sich Mühe gegeben und Informationsseiten mit dem Namen meinblut.de gebaut. Ich frage mich kurz, ob der Name treffend gewählt ist, schließlich muss ich mein Blut ja abgeben. Das Spendezentrum in Basel wirbt mit Vampy,dem kleinenVampir; das erscheint mir logischer.
Egal – die Freiburger Seiten jedenfalls sind sehr informativ, dort bekomme ich sogar Antwortenauf Fragen, die ich vorher noch gar nicht hatte. Zum Beispiel, dass ich nach einer Tätowierung vier Monate mit dem Blutspenden warten muss. Ich bin in den letzten vier Monaten nicht tätowiert worden und erfülle auch sonst alle Bedingungen (siehe Kasten). Einen Termin fürs Blutspenden braucht man nicht, erklärt mir Lioba Grammelspacher, die Stationsleiterin der Blutspendezentrale, am Telefon, alles in allem dauert es maximal eine Stunde.
Im Gebäude der
Freiburger Uniklinik in der Hugstetter
Straße ist die Atmosphäre geschäftig, aber
entspannt,
alle außer mir scheinen Blutspendeprofis zu sein. Sie
schließen Jacken und Taschen in Spinde ein,werfen ihre
Anmeldebögen in Anmeldekästen,
holen sich kostenlose Colas oder einen Kaffee. Ich bin neu, ich darf an
den Anmeldeschalter. Dort gibt’s einen ganzen Stapel mit
Informationsblättern und einen Fragebogen zu gesundheitlichen
Beschwerden, Auslandsreisen, Tätowierungen und vielem mehr.
Kaum
ist der Bogen ausgefüllt, geht es weiter zur Voruntersuchung
bei
einem Mitarbeiter, der erstaunlich viele Dinge gleichzeitig kann: Er
legt mir eine Manschette an den rechten Arm, piekst in den linken
Ringfinger und hält ein Messgerät an mein Ohr. In
gefühlten anderthalb Minuten hat er Blutdruck, Puls,
Eisengehalt
des Blutes und Körpertemperatur gemessen: Alles in Ordnung,
weiter
geht’s.
Und zwar zu Markus Umhau, dem leitenden Arzt. Er schaut sich die Ergebnisse und den Fragebogen an, erklärt, dass die 500 Milliliter gespendetes Blut in der so genannten Fraktionierungsabteilung sofort zu drei verschiedenen Produkten verarbeitet werden, mit denen drei Patienten geholfen werden kann. Und dann sagt er noch, dass ihm gute Stimmung wichtig sei und die Menschen sich beim Blutspenden wohl fühlen sollen.
Ich fühle mich eher
etwas unsicher – aber die Stimmung
nebenan in dem Raum mit den
blauen Liegen ist tatsächlich gut bis ausgelassen. Mitarbeiter
und
Spender scherzen gerade darüber, ob es wirklich so genannte
Rollvenen gibt, aus denen sich nur schwer Blut abnehmen lässt.
„So ein Quatsch“, sagt Radu Popescu- Topoloveni,
„das
sind nur Ausreden von denen, die daneben stechen.“ Er sticht
nicht daneben: Kaum liege ich bequem auf der Liege, liegt die
Kanüle schon im Arm. In der Hand halte ich einen kleinen roten
Schaumstoffball, den ich gelegentlich drücken soll. Der Ball
stellt sich bei näherem Hinsehen als Blutstropfen mit Gesicht
heraus. Blutspendedienste scheinen einen schrägen Humor zu
haben.
Meine Nachbarin hat mitbekommen, dass ich einen Artikel schreiben will und gibt mir einen Tipp: „Irgendwas mit Weihnachten und Helfen würde doch gut passen.“ Ich überlege, warum Blutspenden oft so viel Überwindung braucht, obwohl der Aufwand gering und der Nutzen klar ist. Das Uniklinikum verbraucht für die Versorgung seiner Patienten mehr Blut, als in der Zentrale gespendet wird, erzählt Lioba Grammelspacher später. Sie hat vor einem Jahr hier die Leitung übernommen, davor hat sie jahrelang als Intensivschwester gearbeitet. Sie weiß,wofür das Blut gebraucht wird. Das motiviert, sagt sie.
Die Maschine piept: Schon
fertig. „Sechs Minuten“, sagt
Radu Popescu-Topoloveni, „gute Zeit.“ Meine
Nachbarin will
wissen, wie lange es bei ihr gedauert hat. „Sieben
Minuten“, sagt er, „auch gute Zeit.“ Wer
will, kann
noch ein bisschen liegen bleiben,
wer sich etwas schwach fühlt, bekommt ein Getränk
gebracht,
dann klappt’s auch mit dem Aufstehen.
Sie versuche, es den Spendern so angenehm wie möglich zu machen, sagt Lioba Grammelspacher: „Ich will nicht immer mit dem moralischen Zeigefinger ankommen – wer Blut spendet, kann stolz darauf sein.“ Ganz zum Schluss geht’s noch mal zum Schalter: Der Spender meldet sich ab, bekommt 25 Euro als Aufwandsentschädigung und ein Terminkärtchen in die Hand gedrückt. „Die nächste Spende ist für Sie wieder möglich ab dem 12. Februar“ steht darauf. Den Termin habe ich mir mal gemerkt.
FAKTEN: Blutspenden
Blut spenden können im Prinzip alle gesunden Erwachsenen im Alter von 18 bis 68 Jahren, die mindesten 50 Kilo wiegen. Neuspender sollten nicht älter als 60 sein. Einschränkungen gibt es zum Beispiel nach der Einnahme von Medikamenten, nach bestimmten Auslandsreisen oder für Angehörige so genannter Risikogruppen. Vor der Spende sollte man viel trinken, zur Spende muss man lediglich seinen Personalausweis mitbringen. Die Blutspendezentrale der Freiburger Uniklinik findet sich in Haus Langehrhans, Hugstetter Straße 55. Öffnungszeiten: Montag 8 bis 15 Uhr, Dienstag 9 bis 15 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 11.30 bis 18.30 Uhr, Freitag 8 bis 12 Uhr und an jedem ersten Samstag im Monat von 8 bis 13 Uhr. Termine sind nicht erforderlich. Weitere Informationen unter www.meinblut.de oder 0761/270-4444. Informationen zur Blutspende beim Roten Kreuz unter www.drk-blutspende.de.
Der Sonntag, 4. Januar 2009