Die
Freiburger Theologen haben wieder mehr Studierende —
und
wollen sich auch interdisziplinär öffnen
Von Thomas Goebel
FREIBURG. Für eine Fakultät, die seit Beginn der Freiburger Universität vor 551 Jahren dabei ist, verändert sich bei den Theologen zurzeit einiges ziemlich schnell: Die Studierendenzahlen sind nach Jahren des Rückgangs wieder deutlich angestiegen — ein Trend, den auch die anderen theologischen Fakultäten im Land verzeichnen. Und auch inhaltlich ist das Fach in Bewegung geraten: In Freiburg sollen neue Masterstudiengänge, eine Graduiertenschule und eine religionswissenschaftliche Arbeitsstelle die oft geforderte interdisziplinäre Öffnung der katholischen Theologie vorantreiben.
Die christlichen Theologien
stehen seit Jahren unter
Rechtfertigungsdruck. Als der
Landesrechnungshof 2005 kritisierte, die Auslastung mit Studenten liege
an den vier
theologischen Fakultäten in Baden-Württemberg (je
zwei katholische und evangelische) unter 50 Prozent, befeuerte er damit
nur eine ohnehin schwelende Debatte
über die Sonderstellung des Faches an staatlichen
Universitäten und über
dessen Verhältnis zu den Religions- und Kulturwissenschaften.
Heute sehen die Studentenzahlen wieder besser aus; damit ist der Rechtfertigungsdruck etwas gewichen. Zumindest von Stellenstreichungen, wie vom Rechnungshof indirekt gefordert, spricht derzeit niemand mehr. "Es ist abzusehen, dass die Studierendenzahlen sich weiter steigern werden" , heißt es in einer Mitteilung der Landesregierung vom Dezember 2007. In Freiburg liegt die Auslastung laut Fakultät inzwischen bei etwa 76 Prozent. Magnus Striet, Professor für Fundamentaltheologie und Dekan, spricht von einem "neu erwachten Interesse an Religion" , das sich eben auch bei den Studienbewerbern zeige.
Doch auch inhaltlich tut sich
was: Schon seit dem Wintersemester
2006/07 gibt es an der Freiburger Fakultät den Masterstudiengang
"Caritaswissenschaft
und Christliche
Gesellschaftslehre" . Gemeinsam mit anderen Fakultäten sind
weitere Master-Abschlüsse in den Fachgebieten Kirchengeschichte
und Ethik geplant. Und seit Herbst
besteht die
Graduiertenschule "Theology and Religious Studies" , entstanden im
Rahmen der
Exzellenzinitiative.
"Wir nehmen hier ganz
ausdrücklich auch Promovierende aus
anderen Fächern auf" , sagt
Striet, sogar zwei der fünf Stipendien der Graduiertenschule
gingen an Nichttheologen. "Das interdisziplinäre Gespräch ist
für unsere
Doktoranden sehr wichtig." Vom Sommersemester ansoll außerdem
eine "Arbeitsstelle für
Religionswissenschaft und Religionstheologie" die Vernetzung mit
Judaistik und Islamwissenschaft in Freiburg
fördern.
Diese Aktivitäten sind auch als Reaktionen auf den Vorwurf zu verstehen, das Fach sei in Universität und Gesellschaft weitgehend isoliert. So hatte 2006 der damalige Freiburger Rektor Wolfgang Jäger gemahnt, die Theologie müsse "mehr Schritte auf die anderen Fakultäten zu machen" — eine Bewegung, die laut Dekan Striet längst begonnen hat: "Die Theologie wird offener und stellt sich den neuen Wirklichkeiten."
Auch der neue Rektor der
Universität, Andreas
Voßkuhle, fordert weitere Veränderungen der Theologie: "Um
ihren Platz in den Universitäten zu behalten,
sind neue Strukturen
unerlässlich". Konkret nennt Voßkuhle die
Modularisierung der bestehenden Studiengänge und weitere
Masterabschlüsse. Umgekehrt habe aber auch die
klassische Volluniversität in Freiburg großes Interesse an
ihrer theologischen
Fakultät — schließlich ermögliche
die Vielfalt der vertretenen Disziplinen neue Forschungskooperationen
gerade an den Rändern traditioneller Fächer. Es sei daher im
beiderseitigen
Interesse, so Voßkuhle, "dass die Ausbildung zum Priesteramt in
der Universität bleibt".
Das bedeute für seine Fakultät nun aber keineswegs, sagt Dekan Striet, dass man sich auf das Konkordat zurückziehen werde, also auf den Vertrag zwischen dem Vatikan und dem Freistaat Baden von 1932, der der Freiburger theologischen Fakultät den Bestand sichert: "Das funktioniert auf Dauer nicht." Christliche Theologie könne heute eben "nicht mehr als reiner Binnendiskurs betrieben werden" — zumal das Fach in seiner Deutungskompetenz für religiöse Phänomene auch von außen Konkurrenz bekomme.
Andererseits warnt Striet aber
auch davor, die Theologie "in den Religions- und
Kulturwissenschaften aufzulösen" . Stattdessen müsse
sich das bekenntnisgebundene Fach selbst wissenschaftlich weiter
entwickeln und an seinen Ergebnissen
messen lassen: "Die Theologie bewegt sich im Konzert der Wissenschaften
— dort
muss sie sich beweisen."
Badische Zeitung, 11. April 2008